Hoch über dem Schussental thront das Tettnanger Neue Schloss, ein weithin sichtbarer, repräsentativer Bau aus der Zeit des Absolutismus. Früher hatte an dieser exponierten Stelle eine Burg von 1488 gestanden, die die Schweden 1633 im Dreißigjährigen Krieg zerstörten.
Das 1712 – 1720 errichtete Neue Schloss gab der prunkliebende Graf Anton III. von Montfort als standesgemäßes Domizil in Auftrag. Die Pläne für die stattliche Vierflügelanlage mit Ecktürmen und vier Treppenhäusern in den Ecken des Hofes entwarf der Benediktinerfrater Christoph Gessinger, der Erbauer des Meersburger Neuen Schlosses, der später, das sei als Kuriosum vermerkt, als Zwinglianer starb. Graf Anton resignierte schon 1724 – ihn drückte eine enorme Schuldenlast – und verließ Tettnang. Die Arbeiten am fast fertigen Bau stagnierten, die Verschuldung der Grafen wuchs noch weiter, denn am 11. November 1753 zerstörte ein Brand die neue Anlage bis auf die Fassaden, die Gewölbe des Erdgeschosses und die Zwischenwände des ersten Obergeschosses. Also musste der gesamte Innenausbau von neuem beginnen, was dem Grafen vollends das Genick brach. 1780 übernahm Österreich, das den Wiederaufbau kräftig mitfinanziert hatte, gegen eine Leibrente die ganze Grafschaft und das Neue Schloss diente von da an bis heute als Behördensitz.
Die historisch eingerichteten gräflichen Schauräume, die bei der Schlossführung samt Bacchussaal und Schlosskapelle gezeigt werden, lohnen den Besuch. Der von Joseph Anton Feuchtmayer und Johann Georg Dirr stammende Rokoko-Stuck wurde so meisterhaft ergänzt, dass selbst Experten nur mit Mühe die erhaltenen Originalteile herausfinden. Zahlreiche Putti erzählen von der Macht der Grafen, von ihrer Lust an der Jagd und an der Musik.
Im Bacchussaal reitet der dickbäuchige Weingott übermütig auf einem riesigen Fass. Doch er kredenzt keinen köstlichen Wein: Es ist ein gut getarnter Ofen. Im Deckenfresko hat der Langenargener Maler Andreas Brugger die Heldentaten des Herakles dargestellt. Grauer Stuckmarmor um Türen und Fenster, Porträts und Spiegel in reich stuckierten Rahmen bestimmen ansonsten den repräsentativsten Raum der Montforter. Neben den Fresken im Treppenhaus bildet das Vagantenzimmer einen weiteren Höhepunkt. Hier hat Andreas Brugger neun Jahrmarktsfiguren in Öl auf die Wand gemalt, weswegen die lebendigen Gestalten uns auch heute noch erfreuen: Quacksalber, Hechelmacher, Kesselflicker, Pastetenbäckerin, Leierkastenmädchen, Zitronenverkäuferin, Guckkastenmann, Marketenderin und Lautenspieler. Der erst in den 1980er Jahren ausgebaute festliche Rittersaal mit prächtigem Blick über Land, See und Berge bietet einen vorzüglichen Rahmen für Kammerkonzerte. (hv)